Ich sitze in einem TGV von Montpellier nach Valance, der ersten Strecke auf der letzten Etappe dieser Reise, die uns morgen Früh mit dem Nachtzug von Zürich wieder zurück nach Wien führen wird. Wir fahren durch eine leere und dann wieder intensiv landwirtschaftlich genutzte Gegend, Dörfer, Städte. Frankreich wie im Bilderbuch.. Vorbei an einem AKW. Ich erinnere mich an mein erstes AKW, das ich auf meiner ersten Interrail-Reise 1978 in der Schweiz gesehen habe.
Gestern ein schönes Abendessen mit einem wunderbar leichten provencialischen Bio-Rosé auf einem der Plätze während Österreich in Berlin die Niederlande 3:2 schlägt. Hier wird natürlich Frankreich-Polen übertragen. Viel Stimmung kommt angesichts des 3. mauen Spiels der „Bleus“ nicht auf. Ein Spaziergang durch die alte Stadt und noch ein Absacker im Mondschatten der Kathedrale und dann ins Hotel. Heute um 8:50 ging es weiter.
Wir begannen unsere Reise also im Nachtzug. Schon die Buchung war nicht ganz trivial gewesen. Erste Überraschung bei der Abfahrt: astatt des gebuchten Schlafwagens stand da ein Liegewagen. Aber immerhin war dieser neuerer Bauart und wurde auch als Schlafwagen geführt. Also zu zweit in einem Abteil – halt ohne Waschgelegenheit. Okay, Punktabzug – aber nicht schlimm.
Zweites Frühstück mit einem ordentlichen Kaffee in Zürich und dann weiter nach Genf. Hotel gleich am Bahnhof, Mittagessen, das Wetter geht so: Sonne, nieseln, beeindruckende Wolkenstimmung. Spaziergang am See, Überfahrt mit einem kleinen Linienschiff, dessen Benützung im Tagesticket, das wir für die CityTax mit der Hotebuchung zur Verfügung gestellt bekommen.
Barbara, die wir hier besuchen, zeigt uns ein anderes Genf. Das Viertel der internationalen Organisationen, gegen das sich die Wiener „UNO City“ ziemlich klein ausnimmt. Das Haus, in dem Mary Shelly 1816, dem „Jahr ohne Sommer“ die ersten Kapitel ihres „Frankenstein“ geschrieben hat (ich hab darüber vor ein paar Monaten bei Timo Feldhaus darüber gelesen, das Haus aber am anderen Ufer vermutet) und das festungsähnliche Headquater des World Economic Forum.
Am nächsten Morgen weiter mit einem Regionalzug nach Lyon und von da mit dem TGV über Montpellier nach Barcelona. In Montpellier hätten wir beinah den Anschluss verpasst, weil die angezeigte Verspätung dann doch nicht schlagend wurde.
Erste Aktion dort: die von Österreich nicht buchbaren innerspanischen Reservierungen an die Westküste und zurück buchen, was wir trotz einiger sprachlicher Hürden und dank meiner guten Vorbereitung geschafft haben. Also rein in den Overtourismus. Nach einer Nacht in einem quasi fensterlosen Zimmer in einem durchaus von Reiseführern empfohlenen Hotel für 220€ ohne Frühstück sind wir in das freundliche Poblenou am Strand umgezogen und haben insgesamt drei schöne Tage in der Stadt verbracht, die trotz Overtourismus immer noch eine solche Reise wert ist.
Nächste Etappe: mit 2 Zügen Westküste mit einem etwa 6-Stündigen Stopover in Madrid, wo wir auf Dumont’s Spuren ein wuderbares kleines und günstiges Nachbarschaftsfischlokal gefunden haben und im Prado neben den obligaten Goyas, Velasques’ und Murillos auch die Sonderausstellung mit dem nur einen Bild, einem verloren geglaubten und kürzlich wiedergefundenen Caravaggio, gesehen haben – ganz ohne Ansturm.
Spätabends haben wir trotz Verspätung in Santiago de Compostella den Bus in das ca. 70 km entfernte Muros noch erwischt, wohin uns der Fahrer auf fast leeren Galizischen Straßen in einem Tempo als gäbe es kein Morgen eine halbe Stunde vor Fahrplan dann doch noch gebracht hat.
Muros ist ein Fischer-Städtchen, das ich im Reiseführer auf der Suche nach einem passenden Ort für ein paar ruhige Tage vor der Konferenz entdeckt habe. Und die Wahl war richtig.
Der Reiseführer hat uns aber auch gewarnt: Galizien kann auch im Frühsommer ziemlich kühl und regnerisch sein. Und so war es a auch. Ein paar Bäder im auch noch kühlen Atlantik, zwei schöne Wanderungen und ein Ausflug mit dem Bus ans Ende Europas, Finisterra, sind sich aber schon ausgegangen. Ansonsten eben Ruhe – unterbrochen von der Frage, welches Fischrestaurant wir denn heute aufsuchen wollen.
Muros ist abgesehen von der Durchzugsstraße, die – wie alte Fotos zeigen – so dem Meer abgerungen wurde, dass gleichzeitig auch Platz für eine breite Promenae am Hafen geschlagen wurde, und Lieferverkehr praktisch Auto-frei. Das verbindet Muros mit Pontevedra.
Um von Muros nach Pontevedra zu kommen, muss man mit dem Bus zurück nach Santiago und von da ist es dann nochmal eine knappe Stunde. Der unmittelbare Anschluss-Bus war schon ausreserviert, also eine Stunde warten bei einem Mittagssnack. In das Appartment konnten wir ohnehin erst gegen 15 Uhr rein. Pontevedra beschreibe ich an anderer Stelle – im Zusammenhang mit der Konferenz, die ich dort besuchte und die schließlich Anlass zu dieser Reise war.
Nach einer knappen Woche fuhren wir wieder zurück nach Madrid und blieben dort für 3 Nächte. An drei Abenden und zwei ganzen Tagen kann man sich dabei einen ganz guten Überblick verschaffen über die verschiedenen Viertel, die vom Zentrum ganz gut fußläufig erreichbar sind. So reichte uns beiden letztlich das eine gemeinsame Zehnfahrten-Ticket, das wir uns bei der Ankunft am Bahnhof Chamartín gekauft haben. Auch Madrid ist einigermaßen verkehrsberuhigt wenn auch natürlich kein Vergleich zu Pontevedra, das vor 25 Jahren praktisch den gesamten Autoverkehr aus einer Fläche von 30 Hektar Altstadt verbannt hat.
In der Zwischenzeit sitzen wir im dritten Zug seit Montpellier. Zuletzt sind wir in Grenoble umgesatiegen, wo die Berge den unseren schon recht ähnlich sind. Ist ja auch schon der Alpenbogen, der in Wien – 1.000 km weiter östlich – endet. Der Regionalzug war vermutlich modern als ich nach der Matura zum ersten Mal per In Interrail unterwegs war.
3 Wochen, vier Länder (fünf, wenn man Liechtenstein dazu zählt), ca. 6.000 km und keine einzige Grenzkontrolle. That’s Europe und auch das ist anders als vor 45 Jahren, als wir uns noch über jeden Stempel im Pass gefreut haben. Ich werde zu Hause noch eine Fotostrecke beifügen. Und freue mich schon auf die nächste Reise!