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Sind 50.000 Stunden genug?

Meine letzten Sommertage verbringe ich mit meiner Tochter am Wilden Kaiser, um mit ihr die Drehorte der Langzeit-Fernsehserie „Bergdoktor“ zu erkunden. Sie ist ein großer Fan. Für mich ist es ein softer Übergang in die Pension.

Vor ein paar Tagen habe ich den Schlüssel zu meinem Büro an der Angewandten zurück gegeben und bin mit 5 Umzugskartons ins Bureau der Zivilgesellschaft zurück übersiedelt (wo es übrigens noch freie Plätze gibt). Fünfeinhalb Jahre habe ich hier verbracht: nach drei Jahren im UniNEtZ arbeitete ich (nach kurzer Unterbrechung) zwei Jahre an „meinen“ eigenen Projekten – selbstständig aber angestellt, wie ich gerne sagte. 

De jure war ich im August schon im “Resturlaub“, auch wenn es in SDG.VisionPath noch ein paar Dinge abzuschließen gilt. Immerhin hat man nach Projektende drei Monate Zeit für den Endbericht, auch wenn man dafür nicht mehr bezahlt wird. Der mir schon zur lieben Gewohnheit gewordene Sommerausklang am Millstätter See vertrug sich gut mit diesem Übergang in (m)eine neue Ära.

Das bedingungslose Einkommen der Pension werde ich erst in vier Monaten antreten, wenn ich das 65. Lebensjahr vollständig hinter mich gebracht habe. Bis dahin und vermutlich noch darüber hinaus befinde ich mich nicht nur in einer Phase der Neuorientierung sondern muss und möchte auch noch etwas dazu verdienen. 

Die Pension, die ich in 15 Jahren, die ich in Deutschland (zunächst in Gießen und dann in Wuppertal) verbracht habe, erarbeitet habe, steht mir erst in anderthalb Jahren zu, weil man sich dort schon seit einiger Zeit auf ein Pensionsalter von 67 Jahren einschleicht. Für mich sind es genau 66 Jahre und 2 Monate. Also Pensionsantritt nach deutschem Recht am 1. März 2026.

Ein Pensionsantrittsalter von 67 hat ja neulich auch die Vorsitzende der Alterssicherungskommission, Christine Mayrhuber gefordert, was sogleich die nicht nur in Wahlkampfzeiten erwartbaren Reaktionen hervorgerufen hat: geht garnicht! Als nur teilweise davon betroffener, der sich in seiner frühen Karriere intensiv mit „Monetärer Sozialpolitik“ auseinander gesetzt hat, möchte ich dazu zweierlei sagen.

Der Experte in mir meint angesichts der deutlich gestiegenen Lebenserwartung und gleichzeitig zahlenmäßig schwächeren nachkommenden Jahrgängen hätten wir das auch in Österreich schon längst machen sollen – auch wenn die Verhältnisse in Österreich aufgrund stärkerer Zuwanderung etwas besser sind als in Deutschland. Und ich erinnere mich an einen Demographieprofessor an der Uni Linz, der und darüber schon vor 40 Jahren aufgeklärt hat.

Andererseits – und das schreibe ich jetzt als Betroffener: selbst mir als jemand, der sich beileibe ich als „Hackler“ bezeichnen kann und immer gerne erwerbsgearbeitet hat, reicht‘s schön langsam. Gerade die selbst gewählte und auch gerne ausgeübte Selbstständigkeit war auch psychisch belastend – die beiden aufeinander folgenden Konkurse inclusive. Und wäre nicht eine Arbeitszeitverkürzung auch unter ökologischen Gesichtspunkten eine gute Altrrnative zum allgegenwärtigen Konsumwahnsinn und gleichzeitig zur gerechteren Verteilung der Care Arbeit?

Wie also ließen ich diese Kreise quadrieren? Damit habe ich mich unter anderem im Rahmen des UniNEtZ beschäftigt und dafür die Formel „50.000 Stunden sind genug“ gefunden. 50.000 Erwerbsarbeits-Stunden nämlich im Vergleich zu den 64.000, die in 40 Jahren Vollerwerbsarbeitsleben ungefähr geleistet werden. Ganz praktisch haben wir das schon vor 20 Jahren am SERI so gesehen, wo wir als Normalarbeitszeit eine 30-Stunden/Woche vereinbart und weitgehend auch eingehalten haben – von Mira, die unsere Büros geputzt hat bis zu mir als Geschäftsführer. Und wenn es bei mir dann defakto doch mal 40 Stunden waren (von denen ich 30 bezahlt bekam), war das doch ein zukunftsweisender Ansatz. So haben wir in unserem Institut 5 bis 10 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen – aber auch weniger verdient und weniger Pensionsbeiträge angesammelt. 

Da müsste, wenn daraus ein gesamtgesellschaftlicher Generationenvertrag werden soll, doch auch am Pensionssystem das eine oder andere verändert werden. So ließe sich in meiner Vorstellung dann auch das Pensionsalter hinauf setzen, wenn die dafür notwendigen Erwerbsarbeitszeiten einerseits verringert, aber andererseits auf mehr Jahre verteilt werden könnten. 

Aber was ist dann mit dem Wirtschaftswachstum. „Wir müssen mehr arbeiten“, tönt es von überall her – ganz aktuell wieder einmal vom WIFO-Chef höchstpersönlich. Mit diesem Thema beschäftige ich mich seit 30 Jahren, als wir am Wuppertal Institut gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und dem Wissenschaftszentrum Berlin erstmals ein großes Projekt zu „Arbeit und Ökologie“ bearbeitet haben. Damals war die Arbeitszeitverkürzung eine Lösung um in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit gleichzeitig Jobs zu schaffen und Ressourcen zu schonen. Heute geht es wohl darum, neben den Ressoucren auch die knapper werdende Arbeit zu schonen. Und: wie damals schon von den Kollegen am WZB heraus gearbeitet: wir brauchen mehr Zeit für Nicht-Erwerbsarbeit, die ebenso Wohlstand schafft die wie Erwerbsarbeit. Denken wir nur an Weiter-Bildung (Eigenarbeit), Kinderbeteuung und Pflege (Versorgungsarbeit) und gesellschaftliches Engagement (Gemeinschaftsarbeit). So geht Wohlstand auch mit weniger Wachstum.

Immerhin werden mir meine Pensionszeiten (nicht die Beiträge) für die Erwerbsarbeit in Deutschland in Österreich schon jetzt angerechnet – aber eigentlich habe ich auch in Österreich schon genügend Jahre gesammelt. Das habe ich neulich bei einem Beratungstermin bei der SVS bestätigt bekommen. Wie hoch meine Pension sein wird, muss ich mir aber erst berechnen lassen – und wird sich wohl erst feststellen lassen, wenn auch die deutsche Pension dazu kommt.

Nun habe ich ohnehin nicht vor, den Hammer von heute auf morgen fallen zu lassen. Dafür habe ich zu viele Ideen und sehe auch noch viel zu tun, um zur Weltverbesserung beizutragen. Vieles kann ich mir jetzt unbezahlt leisten. Das eine oder andere bezahlte Projekt wird aber sicher auch noch dabei sein.

Mit Minigolf werde ich also nur die wenigste Zeit verbringen. Grund, warum mir das grade einfällt, ist der etwas versteckte Minigolfplatz im Garten des Parkschlössl von Millstatt, an den mich Thomas Helml, der gute Geist der Villa Verdin, wieder erinnert hat und der vielleicht schon vor meiner Geburt dort angelegt wurde.

 

Auch wenn ich aus meinem letzten Büro ausgezogen bin, nachdem ich alle drei Standorte, das Hauptgebäude am Oskar-Kokoschka-Platz, die Vordere Zollamtstrasse 7 sowie die alte Postsparkasse wärend der fünfeinhalb Jahre „bearbeitet“ habe. Das wunderbare Café Exchange in der Kassenhalle der alten Postsparkasse werde ich sicher weiter nutzen – ebenso wie das Café Ministerium gleich nebenan. See you – zum Beispiel – there!

 

Alle Fotos von F.Hinterberger

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