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Schockstarre oder jetzt erst recht?

Ich sitze wieder einmal in einem Zug – diesmal längs durch Österreich. Von Feldkirch nach Wien. 8 Stunden mit Umsteigen in Salzburg aufgrund der Hochwasserschäden unterm Wienerwald. Das Hochwasser ist jetzt 4 Wochen her – die Nationalratswahl eine Woche. Die Nachhaltigkeitsbewegung scheint mir gerade in einer Art Schockstarre und hoffe, dass dieser Schock am Ende ein heilsamer sein wird. Der Zug fährt durch Tirol und ich schaue auf schneebedeckte Berggipfel, schließe die Augen, höre das heutige Ö1-Konzert aus dem Wiener Musikverein nach und lasse das vergangene Wochenende noch einmal Revue passieren. 

Ich durfte ich an der Universität Liechtenstein in Vaduz die Konferenz „Klimaschutz trifft Grundeinkommen“ mit Wissenschaftler*innen, Unternehmer*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen aus allen deutschsprachigen Ländern eröffnen. Das hat gut getan. Meiner Key Note hat Helmo Pape den Titel „Warum muss die ökologische mit der sozialen Frage gemeinsam behandelt werden?“ verpasst. Meine Präsentation bezog sich auf die „Kehrtwende“ Ungleichheit im Bericht Earth4All des Club of Rome und seines Austrian Chapter Bezug genommen habe. Meine Präsentation und ein paar weiterführende Links findet Ihr hier.

Warum eigentlich Schock? Wurde uns nicht das Wahlergebnis seit Monaten ziemlich genau vorhergesagt? Aber was bedeutet es für uns? Für unsere Sache(n)? Darüber wurde auch in Vaduz viel gesprochen. Der Grazer Psychologe Thomas Brudermann etwa sprach von einer Veränderungsaversion: der Status Quo würde von den meisten bevorzugt. Während die Klimakrise für die meisten „zu schlimm um wahr zu sein“ sei, wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen für viele „zu schön um wahr zu sein“.

Beides zu akzeptieren und in die eigenen Visionen und Planungen einzubauen, könnte vielleicht helfen, aus diesem Lock-in heraus zu kommen. Klimaschutz und Grundeinkommen seien ein „Perfect Match“ sagte Katja Kipping, die für ihre Verdienste gemeinsam mit Daniel Häni, dem Initiator des Schweizer Volksentscheids den ersten Basic Income Award überreicht bekam. Häni berichtete von den ersten Schritten zu einer neuen Volksinitiative, die Klimaschutz und Grundeinkommen miteinander verbinden soll.

Da muss noch viel gedacht, gearbeitet und kommuniziert werden. Für mich haben solche Ansätze aber definitiv das Potential, die Bläschen, in denen wir uns viel zu oft und lange aufhalten, zu einer größeren Blase zu verbinden und so mehrheitsfähig zu werden.

Ein weiteres Highlight der vergangenen Woche war die Circular Movie Night 2024 des Circular Economy Forum Austria in Kooperation unter anderem den CEOsFORFUTURE im Wiener Künstlerhauskino. Gezeigt wurde der wirklich sehenswerte Dokumentarfilm „Green City Life“ der Filmemacher:innen Manon Turina und François Marques. Ich durfte davor – moderiert von Karin Huber-Heim mit Bernadette Luger von der Stadt Wien,  Laura Fariello von WienEnergie & Beirätin bei CEOs FOR FUTUR Martina Affenzeller vom Kinderbüro der Universität Wien und Sigrid Karl von CliMates Austria über „Die lebenswerte Stadt der Zukunft – und was wir heute schon dafür tun können“ diskutieren. Dabei betonte ich die Rolle einer Wellbeing Economy, die für uns sowohl beim Club of Rome als auch bei Wachstum im Wandel eine wichtige Rolle spielt.

Die Veranstaltung zeigte aus ganz unterschiedlichen Perspektiven, wie Menschen weltweit schon heute an Lösungen für eine lebenswerte, nachhaltige und kreislauffähige Stadt der Zukunft arbeiten. Dass dies auch, wie der Club of Rome im Bericht  Earth4All sagt, einen „aktiven Staat“ erfordert.

Womit wir wieder bei den Wahlen wären. Die Earth4All Initiative weist in ihrer 12. „Key Message“ aus dem globalen Bericht darauf hin, dass als nächster Schritt eine breite politische Unterstützung für die dafür notwendige ökonomische Transformation gebraucht wird. Und diese breite Unterstützung wird es nur geben, wenn politische Forderungen im Bereich der Klimapolitik ebenso ernst genommen werden wie die Verringerung von Armut und Ungleichheit und politische Reformen für mehr Innovation und sozialen Wandel. Die verschiedenen in Vaduz vertretenen Grundeinkommenskonzepte könnten dafür wesentliche Beiträge liefern“.

Meine Hoffnung ist jedenfalls, dass uns solche Initiativen, die weit über den Tellerrand der eigenen politischen Forderungen hinaus blicken und bisher unverbundenes zusammen führen, eine Verbreiterung der Bewegung und damit jetzt erst recht Veränderungen ermöglichen, die bisher im Klein-Klein des politischen Hausverstands undenkbar waren.

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