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Ideen zum positiven Frieden

Vierter Teil meines (Welt-)kriegs-Tagebuchs.

Falls Euch der Titel meiner Artikelserie stört, es geht noch deutlicher. Die Leute hinter Trump „planen nichts weniger als ein Armageddon“, schreibt einer, der nicht grade als Marktschreier bekannt ist, nämlich Armin Thurnher in seinem Kommentar des Herausgebers im aktuellen Falter (27/25).

Aber es gibt auch Hoffnung. „Ideen zum positiven Frieden“ lautet der Titel des neuen Buches von Heinz Gärtner, in dem er sich ausführlich nicht nur mit den gegenwärtigen Konflikten der USA, Russlands, des Iran oder auch Koreas auseinander setzt, sondern zum Beispiel auch Entwicklungen des ersten Weltkriegs oder des sogenannten „kalten Kriegs“ erklärt .

Gärtner ist wie Carlo Masala Politikwissenschaftler und Publizist. Er ist Lektor an der Universität Wien, war wissenschaftlicher Direktor des Österreichischen Instituts für internationale Politik und ist seit 2017 Vorsitzender des Beirats des International Institute for Peace (IIP) in Wien. Daneben hatte er Gastprofessuren an mehreren bedeutenden Universitäten der Welt inne.

Auch er spricht von einem „Dilemma der Sicherheit und Gewalt“, das durch Streben nach Sicherheit durch einen Angriff (entsteht), was die anderen wiederum unsicherer macht, sodass sie sich auf das schlimmste, ja für den Krieg, vorbereiten“.

Anders als Masala beklagt er aber, dass in der Politik (und ich möchte hinzufügen: in den Medien) praktisch nur militärische Antworten darauf diskutiert werden, die aber das grundlegende Dilemma (defensive Aktivitäten werden vom Gegner als offensiv betrachtet – und entsprechend beantwortet) nicht durchbrechen können. Dem setzt Gärtner Ideen zur Unterbrechung dieses Dilemmas entgegen.

„Dauerhafter und positiver Friede sei mehr als die negativ definierte Abwesenheit von Gewalt und Krieg“ schreibt Gärtner und ergänzt, ähnlich wie Masala, dass ein „derartiger Frieden nicht schnell und vollständig“ sondern nur „teilweise verwirklicht“ werden kann. Diese Möglichkeiten stehen aber bei ihm im Fokus der Betrachtung und angesichts der 120 Kriege, die es nach seiner Zählung derzeit weltweit gibt, gibt es dabei auch mehr als genug zu tun.

Breiten Raum nimmt in seinem Buch die „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) ein, aus der später die OSZE wurde und die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum feiert – pikanterweise nicht in Helsinki, wo dieser Prozess seinen Ausgang nahm, sondern in Wien. Finnland ist ja mittlerweile der NATO beigetreten und nicht mehr „neutral“.

Gärtner sieht als Alternative zum Anschluss kleiner Länder an eine Weltmacht oder militärischen Block genau diese Neutralität, ein Konzept, das in der österreichischen Bevölkerung immer noch großes Ansehen genießt, bei vielen Entscheidungsträger*innen (auch bei der aktuellen Außenministerin) in Misskredit geraten ist. Zu unrecht, wenn ich Heinz Gärtner folge. 

Neutralität beinhaltet für ihn drei wesentliche Aspekte:

  • die Nichtbeteiligung an einem Krieg, der nicht das eigene Territorium betrifft,
  • die Nicht-Beteiligung an einem militärischen Bündnis sowie 
  • das Verbot, fremde Truppen auf dem eigenen Territorium zu stationieren

Neutralität müsse darüber hinaus glaubwürdig und nützlich sein. Dazu gehöre, selbst Friedensinitiativen zu setzen bzw. zu unterstützen aber auch die Fähigkeit und Bereitschaft, sich selbst zu verteidigen. 

Interessant finde ich insbesondere die Passage, in der Gärtner konkrete Bestrebungen nach dem 2. Weltkrieg beschreibt, eine viel größere neutrale Zone in Europa zu schaffen, die neben Österreich und den skandinavischen Ländern auch Deutschland, Polien und die damalige Tschechoslowakei umfassen hätte können.

Während die KSZE wesentlich zu einer Entspannung in Europa beigetragen habe, hält er die nukleare Abschreckung – anders als Masala – nicht ein sicheres Mittel zur Erhaltung des Friedens. Dazu kam gerade heute ein Argumentarium der Vielmehr befürwortet er nuklearfreier Regionen, Nichtnuklearwaffenstaaten und Verträge zur Beschränkung und Verbote von Atomwaffen. Neben militärischen Schilden brauche es diplomatische Schilde. Ein solcher sei beispielsweise in Europa nicht zu sehen. 

Ich möchte mir nach der Lektüre der beiden Bücher von  Carlo Masala und Heinz Gärtner (hier) noch gar keine abschließende Meinung bilden, finde es nur jetzt schon verwunderlich, wie wenig sich diese „Ideen“ in der öffentlichen Debatte (Politik und Medien) wieder finden.

Ergänzendes Material:
Video von der  Buchpräsentation und Diskussion: „Ideen zum positiven Frieden“ von Heinz Gärtner ( Friedensinstitut IIP ),

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Ilse Kleinschuster

    Interressant dazu fand ich auch die Rede von Yanis Varoufackis im EU-Parlament – https://www.youtube.com/watch?v=tP5251QF6og&t=38s – “The EU is now a War Project – a project that will either land us in permanent war, or bankrupt us further. Or both.”

  2. Ilse Kleinschuster

    Varoufakis, aber mehr noch Ulrike Guérot („Zeitenwenden“) appellieren an die Rücbesinnung auf Vernunft, Mut und bürgerliche Verantwortung. Sie rufen auf zur Verteidigung der Freiheit gegen Angstpolitik, gegen autoritäre Tendenzen und gegen technologische Entmündigung. – Tja, ich finde die Frage von Guérot interessant, wie die Debatte heute wohl anders verlaufen würde, wenn intellektuelle Verarmung in der Zeitungslandschaft uns nicht die Beobachtung anderer europäischer Öffentlichkeiten vorenthalren würde. Ihr Buch ist ein leidenschaftliches Manifest gegen die politische Lähmung und ein Weckruf an alle, die Europa als Projekt der Freiheit und des Friedens noch nicht aufgeben wollen.

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