„Rohstoffgewinnung“ ist ein interessantes Wort. Wer gewinnt hier eigentlich – und wer verliert? Wie schon erwähnt, habe ich die Aufgabe übernommen, als Grundlage für einen Follow-up zum Bericht Earth4All des internationalen Club of Rome zu „Materials and Consumption“ (Arbeitstitel) gemeinsam mit Meike Bukowski ein „deep dive/think piece“ on “Materials, Poverty and Conflict” zu verfassen, “to explore the conflicts connected with resource extraction in the global South as well as between North and South leading also to geopolitical conflicts related to unequal resource extraction, further processing and final consumption”, wie es Anders Wijkman und Lewis Akenji für die Task Force on Materials and Consumption des Club of Rome formuliert haben. Ich begleite mich dabei quasi selber mit diesem Blog.
Auf meiner Liste stehen zum Beispiel Verena Winiwarter, die sich intensiv mit militärischen Altlasten beschäftigt – sicher ein Randthema und gleichzeitig ein guter Ausgangspunkt, um den Wahnsinn zu veranschaulichen oder Walter Suntinger, der das Thema durch seine „Menschenrechtsbrille“ betrachtet.
Meine initialen Fragen an alle lauten:
· Wie interpretierst Du dieses Thema?
· Worauf sollte ein solcher Bericht im wesentlichen eingehen?
· Was sind die wichtigsten Quellen?
· Wen sollte ich unbedingt noch fragen (in Österreich/international)?
Davon ausgehend versuche ich, die verschiedenen Blickwinkel der Kolleg*innen für den Bericht zu einem ganzheitlichen Bild zu collagieren – und einen Fokus auf die Situation in Österreich zu ergänzen. Wie aktuell diese Themen sind, schockiert uns grade in der Auseinandersetzung zwischen den USA und der Ukraine und der Rolle Europas in diesem Konflikt. Aber auch die Kämpfe im Osten der VR Kongo zeigen, wie sehr unsere Lebensweise im Globalen Norden die Menschen im Globalen Süden nicht nur beeinflusst, sondern von ihr abhängt – etwa wenn ein Land wie die VR Kongo einen Exportstopp über den für die E-Mobilität so wichtigen Rohstoff Kobalt verhängt. Siehe dazu auch diesen Beitrag von Hannes Swoboda zur „Kehrtwende Armut“ für den Bericht Earth4All Austria.

Vergangene Woche habe ich Alexander Griebler an der Montanuniversität Leoben besucht. Alex kenne ich aus dem UniNEtZ-projekt, wo er einmal im österreichischen Parlament einen engagierten Vortrag zum SDG 12 (Nachhaltige Produktion und Konsum) gehalten hat. Er hat Umwelt- und Ressourcenmanagement an der BOKU studiert und promoviert jetzt am Leobener Resources Innovation Center. In seiner Dissertation beschäftigt ihn die Frage, wie ein geringer Umweltverbrauch im Bereich der Rohstoffgewinnung mit „decent living standards“ vereinbar sind – und wie sich diese Vereinbarkeit wissenschaftlich bewerten lässt.
Alex holt mich am Bahnhof ab, weil das „sei für einen nicht Leobner, gar nicht so leicht zu finden“ (was stimmt!) und stellte mir seinem Chef Michael Tost vor, Professor am Lehrstuhl für Bergbaukunde, Bergtechnik und Bergwirtschaft. Er bringt sehr viel praktische Erfahrung in der Bergbau-Industrie aber auch vom World Economic Forum mit in die Wissenschaft.
Dabei habe ich sehr viel darüber erfahren, wie Rohstoffe eigentlich gewonnen werden. Zum einen müssen wir unterscheiden zwischen industrieller Rohstoffgewinnung und Menschen, die mit einfachsten Werkzeugen nach Rohstoffen schürfen. Aber auch, dass es vor allem eine Kosten- und keine technische Frage ist, wie umweltzerstörend die Rohstoffgewinnung ist, was man vor allem an Umweltstandards europäischer Minen sehr deutlich sehen kann.
Und auch zunächst unkonventionell anmutende Innovationen sind in diesem Bereich zu suchen – und finden. Heute hat uns beispielsweise Anders Wijkman auf diesen Bericht im Guardian hingewiesen: „Mine copper without destroying the planet? London-based project gives scientists hope“. Der Artikel endet mit diesem so wichtigen Zitat, der letztlich für alle Bemühnungen, die Ressourceneffizienz zu erhöhen, gültig ist: “We therefore need to both reduce our demand for copper and work out how to extract it in the most sustainable way possible, and that is what we aim to help to achieve at the centre.”
Um die damit zusammen hängenden Konflikte, dass teilweise dieselben Unternehmen in Ländern, aus denen bei weitem die meisten Rohstoffe heute noch importiert werden, bei weitem nicht eingehalten, ging es schon vor ein paar Wochen bei der Konferenz „Rohstoffpolitik gerecht gestalten“. Eine umfangreiche Dokumentation der wurde vor ein paar Tagen verschickt.
Es ist also wie so oft einfach die Frage, wieviel Umweltbeeinflussung, Menschenrechtsverletzungen und Ungleichheit wir uns hier in Europa mit dem, was wir produzieren und konsumieren, leisten können und wollen. Soweit ein erstes Blitzlicht auf einige der vielen Inputs, die ich in den nächsten Wochen aufarbeiten möchte. Über weitere Inputs und Anregungen freue ich mich natürlich weiterhin sehr.