You are currently viewing Material, Ressourcen, Kreislaufwirtschaft: das tut sich in Österreich

Material, Ressourcen, Kreislaufwirtschaft: das tut sich in Österreich

Vor nunmehr zwei Jahren veröffentlichte die österreichische Bundesregierung ihre Kreislaufwirtschaftsstrategie. Diese postuliert einen inländischen Materialverbrauch (DMC): maximal 14 Tonnen pro Kopf/Jahr (2030), einen Material-Fußabdruck (MF) von maximal 7 Tonnen pro Kopf/Jahr (2050) sowie eine Steigerung der Ressourcenproduktivität um 50 Prozent (2030).

Diese ambitionierten Ziele finden internationale Beachtung und basieren auf einer langen Tradition einschlägiger Arbeiten auf wissenschaftlicher, politischer, administrativer und zivilgesellschaftlicher Ebene. Schon vor 30 Jahren wurde in einem „Nationalen Umweltplan“ der damaligen Bundesregierung die Reaktion der Massenströme auf ein Zehntel des damaligen Wertes gefordert. Ich glaub‘ ich sollte mich einmal näher mit dieser Geschichte auseinander setzen. Immerhin war mein verehrter Chef und Lehrer Friedrich „Bio“ Schmidt-Bleek maßgeblich daran beteiligt.

Noch beindruckender finde ich, was sich heute in diesem Zusammenhang in Österreich tut. Ich habe mich in Vorbereitung auf das Kick-off-Treffen der internationalen Task Force zur Erarbeitung eines neuen Club-of-Rome-Berichts zu diesem Thema ein wenig umgehört und möchte in den nächsten Monaten einige Kolleg*innen dazu interviewen.

Als Teil der öffentlichen Governance wurde von Bundesministerin Gewessler und Bundesminister Kocher die Task Force Circular Economy eingerichtet, die die Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsstrategie begleitet, sowie 2024 einen ersten Vorschlag für Handlungsempfehlungen und Prioritätensetzung für Politik und Verwaltung entwickelt hat. Ein “Circularity im Climate Lab” wurde als Vernetzungs- und Innovationsort für die Kreislaufwirtschaft in Österreich eingerichtet mit inhaltlichen Schwerpunktthemen wie zirkuläre Matratzen, Möbel und Textilien, Bauwirtschaft und Sekundärrohstoffe. Im Februar 2024 wurde im Umweltbundesamt schließlich der „Kreislaufwirtschafts-Helpdesk“ als nationale Ansprechstelle für kreislaufwirtschaftsrelevante Fragestellungen eingerichtet.

Zu den wichtigsten zivilgesellschaftlichen Akteuren gehört auf jeden Fall Karin Huber-Heim, die Gründungs-Direktorin des 2020 gegründeten Circular Economy Forums Austria. Es unterstützt als Plattform zur Förderung der Kreislaufwirtschaft vor allem Unternehmen bei der Transformation in eine Kreislaufwirtschaft und vernetzt wichtige Akteurinnen und Akteure. Karin ist Vorsitzende der Task Force Kreislaufwirtschaft, wissenschaftliche Leiterin des Masterlehrgangs Sustainability & Responsible Management an der Fachhochschule des BFI Wien und eine ausgewiesene Expertin im Bereich Kreislaufwirtschaft.

Sophia Kratz beschäftigt sich beim Umweltdachverband mit dem Thema Kreislaufwirtschaft. Zu ihren Forderungen gehört die Integration zirkulärer Kriterien in die Öffentliche Beschaffung ebenso wie die Notwendigkeit gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, etwa ein Kreislaufwirtschafts- oder Ressourcen-Gesetz. Zu den Best Practices in Österreich gehört für sie der österreichweite Reparaturbonus für Elektro- und Elektronikgeräte. „Bisher wurden bereits mehr als 1 Million Bons eingelöst. Aktuell beteiligen sich über 3.900 Partnerbetriebe am Reparaturbonus. Das Budget dafür beträgt bis zum Jahr 2026 insgesamt 130 Millionen Euro aus dem Aufbau- und Resilienzplan der EU. Für die Weiterführung werden 74 Millionen Euro im Förderbereich Kreislaufwirtschaft aus nationalen Mitteln zur Verfügung gestellt.“ erfahre ich von Karin Huber-Heim. Seit Jänner 2021 unterliegen Reparaturdienstleistungen für Fahrräder, Schuhe, Lederwaren, Kleidung oder Haushaltswäsche dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 10 Prozent.

Matthias Neitsch von Reuse Austria, der „Lobby für eine soziale Kreislaufwirtschaft“, sieht aber gerade in der Förderung der Kreislaufwirtschaft noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Wir stehen vor der Herausforderung der Transformation derproduktionsbasierten linearen Ökonomie in eine zirkuläre „Werterhaltungs-Ökonomie„, sagt Neitsch. „Dies erfordert den Umbau der globalen industriellen Massenproduktion materieller Güter in lokale und regionale Werterhaltung und Umverteilung der vorhandenen materiellen Güter auf Basis von menschlicher Arbeit und global geteiltem digitalisiertem Informationsaustausch. Ohne sozial gerechtere Verteilung von Einkommen, Teilhabe und Vermögen wird diese Transformation von den Menschen aber nicht akzeptiert werden.“ Anstatt der Förderung von Investitionen, die letztlich Produktion und damit den Ressourcenverbrauch ankurbeln, brauche es eine Absatzförderung für langlebige Produkte , um den unfairen Wettbewerbsvorteil nicht-nachhaltiger Produkte und Geschäftsmodelle auszugleichen, solange dieser noch besteht und nicht durch entsprechende Besteuerung (des Ressourcenverbrauchs) bereits kompensiert werden konnte. 

„Schulung, Schulung, Schulung sei ein großer Schwerpunkt für alle Mitarbeiter*innen weltweit“, sagt Reinhard Hubmann, Head of ReUse Management der Siemens AG. Der für eine Kreislaufwirtschaft entsprechende Mind Set Change kann nur funktionieren, wenn das Wissen über die Zusammenhänge der Nachhaltigkeit nivelliert ist. In unsren Online Trainingscenter haben wir zu ziemlich allen Nachhaltigkeitsthemen webbased Trainigsmodule. Jederzeit abrufbar, kostenfrei und für alle Know How Level geeignet. Viele Vernetzungsteam zu den unterschiedlichen Themen gestalten Info Veranstaltungen die uns und unsere Kunden da weiterbringen.“

Apropos Mind Set. Walter Suntinger, der den Studiengang Vienna Master of Applied Human Rights akademisch managt, spricht von einer „Menschenrechts-Brille“ mit der sie an der Wiener Universität für Angewandte Kunst auf alles blicken. Seit dem Studienjahr 2023/24 steht dabei auch der Club of Rome-Bericht „Earth4All“ im Fokus. Er selbst arbeite als freiberuflicher Menschenrechtsberater auch mit großen Unternehmen zusammen, wenn sich vor allem im Zusammenhang mit Ressourcenextraktion auch Menschenrechtsfragen stellen.

Am Lehrstuhl für Bergbaukunde, Bergtechnik und Bergwirtschaft und am Resource Innovation Center Leoben erarbeitet Alexander Griebler Methoden zur Bewertung der sozialen Konsequenzen von Ressourenextraktionen, eine „Social License to operate”. Sein Ziel sei es, den regionalen Behörden und anderen Akteuren eine Reihe von Optionen für das Verständnis, die Diskussion, die Verhandlung und die Lösung schwieriger Fragen auf regionaler Ebene zu bieten, die sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs zwischen Gemeinden, regionalen Behörden, Regulierungsbehörden und Bergbauunternehmen ergeben.

An die neue Bundesregierung gibt es etliche Forderungen bezüglich Kreislaufwirtschaft. „Keine ‚Rettung‘ von Branchen, die nicht zirkulär transformierbar sind“ fordert etwa Matthias Neitsch, „statt dessen Stärkung neuer zirkulärer Branchen: Transformation linearer Produktion in zirkuläre Produktbewirtschaftung: Wertschöpfung durch Produktnutzung statt durch Produktverkauf!“. 

Reinhold Lang und Stefan Schleicher, beide Mitglieder des Austrian Chapters des Club of Rome, verfolgen demgegenüber einen globalen Ansatz, der die Leitvision widerspiegelt, die Kreislaufwirtschaft des Kohlenstoffs in der Biosphäre auf die Technosphäre zu übertragen. In Analogie dazu skizzieren sie Merkmale und Bedingungen für eine „neue Bioökonomie“, in der wesentliche Eigenschaften der Biosphäre (erneuerbare Energiebasis und kreisförmige Nutzung von Materie/Materialien) auf die Technosphäre übertragen werden. Vor allem gilt dies für die Nutzung erneuerbarer Energien, um den technosphärischen Kohlenstoffkreislauf zu etablieren und voranzutreiben, so dass Technologien wie CCU zu einem Kernelement eines neuen Bioökonomieverständnisses werden, in dem die HTA-Industrien und sektorübergreifende Kohlenstoffströme eine entscheidende und zentrale Rolle spielen.

All diese Themen gehören entsprechend vertieft. Und es ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was sich in Österreich zu diesen Themen tut – mal ambitionierter, mal weniger ambitioniert. Es gibt also noch viel Stoff. Beim Kick-off in Berlin habe ich diese Themen eingebracht, zu denen es in Österreich sowohl Interesse als auch eine besondere Expertise gibt.

Ende Jänner findet in Wien die Konferenz Rohstoffpolitik gerecht gestalten“ mit Vertreter*innen sowohl aus dem globalen Norden wie auch Süden statt, von der ich sicher berichten werde. Die Organisator*innen wollen dabei eine gerechte Rohstoffpolitik und globale Just Transition ins Zentrum von sozial-ökologischen Umbaudebatten stellen. Einige dar dabei gestellten Fragen lauten:
● Was und wer sind die Treiber der Rohstoffnachfrage in Österreich und der EU?
● Wo und unter welchen Bedingungen werden die benötigten Rohstoffe abgebaut?
● Welche sozial-ökologischen Kosten sind mit dem Abbau verbunden?
● Welche Rolle spielen Handels- und Investitionsabkommen für den Zugriff auf diese Rohstoffe?
● Wie kann ein sozialer und ökologischer Umbau von Industrien, Energie- und Mobilitätssystemen aus-
sehen, der nicht auf Kosten des Globalen Südens geht?
● Wie kann eine Just Transition global gerecht organisiert werden? Wie kann Rohstoffpolitik gerecht und
nachhaltig gestaltet werden?
● Wie können wir stattfindende Kämpfe verbinden? Und welche neuen Allianzen gilt es zu schmieden?

Schreibe einen Kommentar